Der kleine plappernde Kaplan
klebt poppige Pappplakate
an die klappernde Kapellwand.
Schbreschn, Babbeln, Schnacken, Schwätza … Aussprachetraining ist vorrangig ein Thema für Menschen, die an Mikrofonen sprechen, die sich öffentlich an ein überregionales Publikum wenden und verstanden werden wollen, beziehungsweise mit ihrer Art zu sprechen nicht vom Inhalt ablenken möchten. Mit dem einen oder anderen Dialekt oder Akzent kann das schon passieren, aber letztlich überzeugen Sprecher*innen doch vor allem mit ihrer Persönlichkeit. Und da gehören Sprechweise und Herkunft ganz klar dazu. Ziel sollte also nie sein, sich einen Dialekt ‚abzutrainieren‘, sondern im Mittelpunkt steht die Verständlichkeit. Es spricht sowieso alles dafür, den Dialekt zu behalten und die hochdeutsche Aussprache DAZUzulernen, warum eins hergeben anstatt eine zweite Variante zu gewinnen 🙂

Und weil so viele Bühnenmenschen selbst ihr Sprechen trainiert, an ihrer Aussprache gefeilt und viele Übungen selbst ausprobiert, darüber gelacht haben, spielen sprecherzieherische Themen immer wieder in Nummern und Programme hinein, zum Beispiel bei der Tübinger Comedy Stube, ‚Zypern‘: „Helge und Udo mit einem neuen, hochprozentig-hochgeistigem Gespräch unter erschwerten logopädischen Bedingungen“.
Das Problem der Zischlaute ist kein Neues. Mit Zypressen und mehr noch mit dem ‚th‘ kämpfte auch Evelyn Hamann als Sprecherin, für die Loriot ihr einen dankbaren Text geschrieben hatte. Die Arme verhathpelt sisch in der langen Beschreibung des sechzehnteiligen englischen Fernsehkrimis „Die Zwei Cousinen“. Was bisher geschah:
Dagegen hilft natürlich zum einen, schon beim Texten auf Machbarkeit zu achten. Aber es ist auch eine Frage der Übung und der Beweglichkeit von Zunge, Lippen, Unterkiefer, wie oft wir stolpern und straucheln beim Sprechen. Wer Morgens aus dem Bett heraus direkt in eine Präsentation stürzt, noch ohne ein klares Wort mit dem Nachbarn oder der Busfahrerin gesprochen zu haben, hat es auch im Vortragen schwerer. Aufwärmen, Einsprechen und richtig Ankommen hilft, wie beim Sport.
Ausspracheübung: Zungenbrecher
Auch Rene Marks Frosch weiß Abhilfe. Er gibt dem Maulwurf Nachhilfe in Sachen Sprecherziehung:
Tatsächlich können Zungenbrecher eine Hilfe sein ( >> eine Sammlung von A-Z bei Wikiquote) Nur vielleicht nicht gerade fünf Minuten vor Beginn, wenn der Adrenalinpegel sowieso schon hoch ist, sondern in unspektakulären Momenten, eben wenn keiner zuhört, es um nichts geht. Man sollte es nur nicht übertreiben mit der Präzision, kein Mensch hört gern überkorrekten Sprecher_innen zu. Lieber ein bisschen zu genuschelt als zu verkrampft-perfekt.
„I’m a thistle-sifter“
Wenn es um Sprecherziehung, Rhetorik und Kommunikation geht, darf auf keinen Fall der Film „The King’s Speech“ von 2010 mit Colin Firth und Geoffrey Rush fehlen. Coling Firth in der Rolle des britischen Königs George VI und Geoffrey Rush als Lionel Logue, Sprechtherapeut und Freund des Königs, der von Kindheit an stotterte. Der Enkel von Lionel Logue hatte dessen Briefe und Tagebücher aufbewahrt. Und auch Notizen mit Details aus den zeitweise täglichen Sitzungen mit dem König. Tollster Fund war eine Kopie der Rede, in der George VI 1939 seinem Volk den Krieg mit Deutschland mitteilen muss. Es war seine wichtigste Rundfunkansprache, deren Vorbereitung und Einstudieren auch im Film eine entscheidende Rolle spielt. In den mit mechanischer Schreibmaschine getippten Buchstaben finden sich Pausenzeichen und Betonungen.
Die Sprecherziehung steckte zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch in ihren Anfängen. Bevor George VI auf Logue trifft, bekommt er nutzlose Tipps, so solle er viel rauchen, das würde den Hals lockern. Oder den Mund voll Kieselsteine nehmen beim Üben. Und dann wieder gehören viele der gezeigten Lockerungs- und Summübungen auch heute zum Aufwärmprogramm vieler SängerInnen und SprecherInnen.
Die Pleuel-Übung
Leider hat Lionel Logue wenig über seine Methoden notiert. Hier haben auch die Schauspieler*innen ihr Wissen und ihre Erfahrung mit eingebracht, sie werden selbst viele Übungen und Varianten zu den Themen Stimmbildung und Aussprache erlebt haben im Lauf ihrer Ausbildung 🙂 Manche davon sind gewöhnungsbedürftig, ihr Sinn erschließt sich oft erst, wenn man sich länger mit dem Thema befasst hat. Dazu gehört meiner Ansicht nach die sogenannte „Pleuel-Übung“.
Für die ersten Versuche empfehle ich einen Moment ohne Zuschauer_innen und mit Abstand zum Fenster, denn wer nebenbei noch auf Außenwirkung bedacht ist, verfehlt den Effekt der Übung. Sowieso sollte, wer bei der Stimmbildung hofft, hübsch auszusehen, besser auf Schreibübungen umsteigen. Schließlich steht das Klangbild im Fokus, was fürs Ohr, weniger fürs Auge.
Anleitung: Bei der Pleuelübung wird die Zungenspitze hinter den unteren Schneidezähne platziert. Dann den Mund öffnen und den Zungenrücken, den mittleren Teil der Zunge also, mehrmals weit nach vorne aus dem Mund wölben, um ihn dann wieder weich in die Ausgangsposition zurückfedern zu lassen. Eine Dehnübung, die den Zungenmuskel lockert und dafür sorgt, dass im Anschluss die Zunge ein kleines bisschen weiter vorn im Mund liegt und sich der Klangraum vergrößert, Vokale voller klingen.
Größerer Raum bedeutet mehr Resonanz, mehr Vibration, größere Tragfähigeit der Stimme. Aber auch deutlichere Artikulation zum Beispiel des r-Lautes. Der wird in manchen Dialekten weit hinten im Rachen gesprochen, im Hochdeutschen dagegen weiter vorn im Mundraum. Süddeutsche, die ihr [r] nach vorne holen wollen, haben deshalb ihre Mühe mit Wörtern wie Bruder, Vater, Mutter, da sie die Endung dieser Wörter gerne im Rachen verschwinden lassen und ‚verschlucken‘. Gerade Wörter mit Vokal plus nachfolgendem <r> sind gut geeignet, den Klang der r-Laute zu üben, mein liebstes ist ‚Sportreporter‘ 🙂 Die Pleuelübung hilft dabei, klappt aber nicht unbedingt allein, so wie alle Stimmarbeit besser funktioniert, wenn sie von einer Logopädin, einem Sprecherzieher oder StimmbildnerIn begleitet wird, der/die einem Rückmeldungen über den erzeugten Klang geben und die nächste passende Übung empfehlen kann.
lieber kein Korkensprechen
Bei anderen Übungen ist der Weg zum Erfolg kürzer, hier tritt der Effekt so schnell ein, und ihre Wirkung ist so offensichtlich, dass klar wird, warum sich ungeübtes Sprechen oder Vorlesen so anders anhört, als wenn es eine gelernte Sprecherin, ein Schauspieler übernimmt.
Die am weitesten verbreitete Übung, die Sprecherzieher_innen nachgesagt wird, ist das Korkensprechen. Wenn das die Vorstellung ist, die sich manche vom Sprechunterricht machen, dann ist es kein Wunder, dass sie gar nicht erst hingehen. Tatsächlich wird die Aussprache nicht deutlicher, wenn man sich einen Korken in den Mund steckt. Vom Zustöpseln wird das Sprechen nicht deutlicher, Zustöpseln ist ja genau das Gegenteil dessen, was erreicht werden soll. Was aber hilft, ist, sich den Korken (in meinem Unterricht gibt’s allerdings keine Korken, den kann jeder/r gut durch den eigenen Daumen ersetzen) an die obere Zahnreihe zu drücken und dann samt diesem Hindernis und an ihm vorbei zu sprechen. Der Unterkiefer muss dafür also frei beweglich bleiben. Es hört sich komisch an – bilabiale Laute zum Beispiel, m, p, b funktionieren nicht mehr so wirklich, auch das /s/ klingt nicht sauber – aber darum geht’s nicht, sondern die Übung sorgt dafür, dass mehr Raum im Mund entsteht und Unterkiefer und Zunge beweglicher werden. Wegen des Daumens/Korkens müssen wir plötzlich sehr viel mehr ‚arbeiten‘, damit noch ein halbwegs verständlicher Satz dabei herauskommt. Und wer jetzt, direkt im Anschluss, ohne Korken weiterspricht, kann spüren und hören, dass sich etwas verändert hat, dass der Stimmklang offener die Aussprache klarer geworden ist.
Wir sprechen keine Buchstaben
Bei allem ‚richtig‘ sprechen Üben: verlieren Sie nicht aus den Augen bzw. Ohren, dass wir keine Buchstaben sprechen, sondern Laute. Dass die Buchstaben nur eine Annäherung an das sind, was wir sprechen, und dass sie das gesprochene Wort nur in etwa abbilden können. Es gibt viele Varianten, den Buchstaben <s> in einen Laut zu übersetzen, die Zuhörer*innen sind gut im Zuordnen und erkennen meist, was gemeint ist. Kinder gehen vom Laut aus, sie kommen gut klar damit, dass es “SCH-ule” heißt und nicht “SK-hule”. Erst der erwachsene Wunsch nach Buchstabentreue bringt sie aus dem Tritt. Dabei wäre es aus sprachlicher Sicht auch korrekt “Tsahn” zu schreiben statt <Zahn>, “Eidäxe” statt <Eidechse>. Es spricht also aus sprecherzieherischer Sicht überhaupt nichts gegen Anlauttabellen in der ersten Klasse, die Frage ist mehr, wie im konkreten Fall damit gearbeitet wird. Die geschichtlichen Hintergründe dazu hat Andreas Wolf in seinem interessanten Artikel ‚Ueber das correcte buchstabiren‘ zusammengefasst, denn „die Lautiermethode des Lesenlernens ist älter als der Orthographiezwang“.
Wer sich für Übungen dieser Art interessiert, Spaß hat am Experiment von Wort & Klang ist herzlich eingeladen zu einem unserer offenen Seminare (aktuelle Termine *hier*), zum Beispiel zum Workshop am Abend „Lies doch mal vor!“ auf der Burg Lede.
Mit vielen Grüßen aus der Wort & Klang Küche
Almut Schnerring
6 Gedanken zu „deutliche Aussprache? Übungen zum Artikulationstraining“
Liebe Almut, liebes Team,
toller Beitrag, perfekt verständlich und, mir aus der SEELE gesprochen. So, ist es. DANKE vielmals.
Wäret ihr bei mir vor Ort, nähme ich eure Unterstützung in Anspruch!
Herzlichst, Simone
Dankeschön fürs positive Feedbaack! 🙂
In der Ausbildung lernt man echt oft Sachen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Super, welche Aufklärung ihr hier betreibt! LG Brina
danke!